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Potsdam weiterdenken. Unser Beitrag zur Leitbild-Diskussion

LHP_Leitbildkampagne_Banner_NPTE-600x400pxDie Landeshauptstadt Potsdam diskutiert derzeit mit der Bürgerschaft ein Leitbild. Es soll die Grundlage für das zukünftige Handeln der Politik, der Stadt und der kommunalen Unternehmen bilden. Beteiligen kann man sich auf vielfältige Weise, durch Stadtdialoge, Postkarten und Online. Weitere Informationen dazu finden Sie auf www.potsdam-weiterdenken.de, wo Sie auch eigene Vorschläge in den verschiedenen Phasen einbringen können. Als Verein wollen wir uns an der Ausarbeitung des Leitbildes gerne beteiligen.

Beitrag des Neues Potsdamer Toleranzedikt e.V. zur Leitbild-Diskussion der Landeshauptstadt Potsdam

Das Neue Potsdamer Toleranzedikt wurde 2008 als Ergebnis eines offenen Diskussions- und Beteiligungsprozesses erarbeitet. Tausende Bürger/innen, sowie zahlreiche Vereine, Institutionen und Firmen beteiligten sich daran.

Das Neue Toleranzedikt beschreibt das neue demokratische Selbstverständnis der Potsdamer Bürgerschaft. Es ist ein Bekenntnis zu Weltoffenheit und Toleranz. Es definiert den Begriff der Toleranz für Potsdam neu und formuliert die Grundsätze des gemeinsamen Zusammenlebens in unserer Stadt.

Dieses Toleranz-Leitbild, was in der Präambel des Toleranzedikts durch die Bürgerschaft 2008 bereits ausformuliert wurde, sollte auch ein fester Bestandteil des neuen Gesamt-Leitbildes für Potsdam werden.

Potsdam steht als wachsende und sich ständig verändernde Stadt vor neuen Herausforderungen. Die Diskussion eines Leitbildes ist daher wichtig und richtig, denn es schafft Orientierung.

Die Aufnahme einer steigenden Anzahl an Flüchtlingen in diesem und den kommenden Jahren fordert die Stadtgesellschaft heraus. Es muss uns dabei gelingen, viele Aufgaben parallel zu meistern. Potsdam ist dabei Schutzraum vor Krieg und Elend und wird auch neue Heimat. Für eine erfolgreiche Integration braucht es Offenheit, Geduld, Solidarität und die Eröffnung einer Perspektive. Vor allem aber Toleranz, die sich auf eine gelebte Weltoffenheit der Potsdamer Stadtgesellschaft verlassen kann. Die Stadt sollte weiterhin Orte der Begegnung ermöglichen. Denn erst die Begegnung mit dem vermeintlich „Fremden“ hilft uns allen, durch eigenes Erleben vorhandene Vorurteile abzubauen. Viele gute Beispiele in der Landeshauptstadt zeigen bereits erfolgreich, wie das geht. Dies trägt dazu bei, dass die Zuwanderung nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung der Vielfalt unserer Stadt begriffen wird.

Potsdam wächst und entwickelt sich rasant. Für das Jahresende 2015 werden 166.000 Einwohner/innen prognostiziert. Dieses Wachstum bringt auch Konflikte um Wohnungen, Nachbarschaften, Einflusssphären, Rollenverteilungen und Einstellungen mit sich. Dies erfordert von allen Beteiligten die Fähigkeit, aufeinander zuzugehen und miteinander ins Gespräch zu kommen, um Konflikte zivil auszutragen. Dies wiederum verlangt von den Ankommenden wie den Aufnehmenden vor allem Offenheit und die Bereitschaft zum Kompromiss.

Der Vorstand des Neues Potsdamer Toleranzedikt e.V.
Christoph Miethke (Vorsitzender), Dr. Simone Leinkauf (stellv. Vorsitzende), Daniel Wetzel (Schatzmeister), Arndt Gilka-Bötzow (Schriftführer), Stefan Frerichs, Prof. Dr. Heinz Kleger, Pastorin Hildegard Rugenstein, Tilo Schneider, Martina Wilczynski
Potsdamer Toleranzedikt (2008)

Präambel

Das neue Toleranzedikt hat den Sinn:

  • die Toleranzdiskussion in der vielfältigen Stadtgesellschaft zu verankern – über die verschiedenen Stadtteile und gesellschaftlichen Bereiche hinweg;
  • eine selbstbewusste Bürgerschaft im Hier und Jetzt zu entwickeln, in deren Zentrum die größtmögliche Freiheit aller steht;
  • die Möglichkeiten der Toleranz auszuschöpfen;
  • das Nicht-Tolerierbare klar zu benennen;
  • die Verbindung von Toleranz und Solidarität zu festigen;
  • den Konsens der Demokraten gegen Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und politischen Extremismus zu stärken;
  • sowie das Erbe von Aufklärung, Einwanderung und Toleranz sicht- und lehrbar zu halten.

 

Potsdam gibt sich ein neues Toleranzedikt. Es ist das Ergebnis eines offenen und breiten Stadtgesprächs über acht Monate hinweg. Das neue Edikt lehnt sich an das historische Edikt von Potsdam (1685) an. Die Auswirkungen des alten Edikts prägten Potsdam und bereichern die Stadt noch heute. Dieses Erbe lehrt, was gelungene Integration bedeutet. Wie gehen wir heute mit diesem Erbe um und wie setzen wir es fort?

Potsdam erfindet sich neu. Die vielfältige Stadtgesellschaft ist wieder erwacht. Sie braucht die Toleranz wie die Luft zum Atmen.

Das neue Toleranzedikt steht für eine Praxis hier und jetzt, die in den nächsten Jahren fortgeführt werden soll. Dabei geht es nicht um Lippenbekenntnisse, sondern um Wege, die ein neues Miteinander in der Stadt schaffen, über Grenzen und Unterschiede hinweg. Toleranz schließt Konflikte nicht aus, sondern ein. Sie ist offen und geht auf Menschen zu. Man darf sie nicht mit Gleichgültigkeit verwechseln.

Toleranz bedeutet für die Potsdamer:

  • Respekt und Akzeptanz des Anderen;
  • aufeinander zugehen und miteinander ins Gespräch kommen;
  • zuhören können;
  • Unterschiede als Bereicherung erfahren;
  • Konflikte zivil austragen;
  • an die Stelle der Ausgrenzung die Integration setzen;
  • Toleranz und Solidarität verbinden;
  • Mobbing, Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und politischen Extremismus nicht zu dulden.

 

Toleranz heißt Respekt

Die Wahrung der Würde des einzelnen und gegenseitiger Respekt sind Prinzipien, die für alle Einwohner unserer Stadt gleichermaßen gelten. Mit Respekt verbinden die Potsdamer Achtung, Akzeptanz, Anerkennung und Solidarität. Mit Toleranz verbinden sie zudem Wahrnehmung, Freundlichkeit, Neugier und Interesse für den Anderen. Respekt und Gelassenheit sind möglich, auch wenn es um Wettbewerb und Konkurrenz geht.

Toleranz bedeutet Offenheit

Toleranz bedeutet auch, aber nicht nur Geduld. Sie wird aktiv, wenn Menschen aufeinander zugehen und miteinander ins Gespräch kommen. Es ist wichtig, dass wir ohne Angst unsere Erfahrungen ausdrücken und austauschen können. Das geduldige Zuhören wollen wir ebenso einüben wie das Debattieren. Jeder hat das Recht, seine eigene Geschichte zu erzählen.

Toleranz wagt neue Wege

Potsdam tut viel für die Vergangenheit, von der es profitiert. Der Wagemut für die Gegenwart und die Zukunft hält sich in Grenzen. Die Museums- und Touristenstadt vergisst noch ihre Jugendlichen, die Freiräume brauchen. Lebendige Gegenwart geht in Geschichte nicht auf. Fehlende Neugier mündet in fehlendes Denken. Kreativität ist ganz besonders auf Freiräume, Austausch und Anregung angewiesen. Nur eine kreative Stadt zieht die Kreativen an.

Toleranz schafft Integration

Die Nichtachtung anderer Menschen führt zu Ausgrenzung und Verletzung. Im Bewusstsein, dass niemand von uns missachtet werden will, wollen wir Voraussetzungen für die Integration aller Einwohner unserer Stadt schaffen. Alle Einwohner heißt, keinen Unterschied zu machen zwischen Herkunftsland, Ost-West, Hautfarbe oder Religion. Zur Stadtbürgerschaft gehören auch die Kinder und Jugendlichen.

Toleranz mit Solidarität verbinden         

Die Einwohnerschaft von Potsdam hat sich neu gemischt. Die Verantwortung für das Zusammenleben in unserer Stadt kann nicht delegiert werden. Toleranz wird mit Leben erfüllt, wenn sie sich mit Solidarität verbindet. Solidarität heißt gegenseitige Hilfe und schafft sozialen Ausgleich. Die Solidarität mit den Schwachen, Flüchtlingen, Menschen mit Behinderungen, Kranken und Sterbenden führt den Toleranzgedanken weiter.